Mittwoch, 28. Juni 2017

Finnland - die EU hat uns wieder





Von unserer Ausreise aus dem Iran trennen uns mittlerweile 2 Monate. Haben wir dort am 21. März, dem Frühlingsbeginn, das Neujahrsfest gefeiert, feierten wir nun weit oben im Norden mit den Finnen ihren Mittsommer. Auf unsere Art. Mit einer kleinen 3-tägigen Finnlandtraverse vom, in Finnland jedem Kind bekannten Berg Aavasaksna nahe der schwedischen Grenze, bis hin zum Oulanka-Nationalpark im Osten nahe der russischen Grenze.




Gemeinsam mit vielen Finnen haben wir am 23., dem Vortag zu Mittsommer, das traditionell immer am Samstag nach Sonnwend ausgelassen gefeiert wird, die ebenfalls jedem bekannte kleine Bärenrunde absolviert. Treppauf, treppab, 12 km durch wunderbare Natur, in der die Flüsse noch ungezähmt durch die Felsen schießen.
Drei Tage auf dem Polarkreis, dem Arctic Circle. Aavasaksna ist der südlichste Punkt in Finnland, von dem aus man die Mitternachtssonne sehen kann. Nur ein kleines Stück unterhalb des Arctic Circles gelegen, ist in der Nacht vom 20. auf den 21.06. die Zeitspanne zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang kaum wahrnehmbar. Für uns haben wir diesen Moment, an dem der Wind auffrischte und es von einem Moment auf den Anderen bitter kalt wurde, als unseren persönlichen Mittsommerevent verankert. Denn davon gibt es seit dem viele. Die nächsten zwei-drei Wochen werden wir ausschließlich nördlich des Polarkreises verbringen und Lappland erkunden – taghelle Nächte inklusive! 

Sonnwendfeuer am Aavasaksna



Sonnenunter- und -aufgang innerhalb von 10 Minuten

75% der Gesamtfläche Finnlands sind mit Wald bedeckt. Der Rest ist Wasser! Holz gibt es daher reichlich und jedes Kind weiß, wie man mit Feuer umgeht. Allgegenwärtig sind die Feuerstellen an Rastplätzen entlang der Straße, in Nationalparks oder daheim auf dem eigenen Grundstück (auf dem mit Sicherheit auch eine eigene Sauna steht). An öffentlichen Feuerstellen ist oft für Holz gesorgt, das in einer Hütte bereits proportioniert bereit liegt. 
.. oder der Finne fällt einfach einen Baum :-)
Ein Feuer ist schnell entfacht, es hält die lästigen Mücken in Schach und macht die Würstel gar, die sich die Finnen statt dem Butterbrot in den Tagesrucksack stecken, wenn sie wandern gehen. Für uns ist die finnische Wurstvariation allerdings schwer genießbar. Die Konsistenz ist gewöhnungsbedürftig und erinnert eher an ein irisches Sägemehlwürstchen, als an eine deutsche Bratwurst. Abhilfe kann da nur die Bratwurstschnecke vom allgegenwärtigen Lidlmarkt bringen. Die schmeckt so, wie sie schmecken soll! 





In den letzten 3 Wochen haben wir, immer dem Sonnensymbol des Wetterberichts folgend, Finnland im Zickzackkurs durchquert. Der Weg führte uns von der finnischen Seenplatte kommend über Oulu und die Küste des Bottischen Meerbusens, am Polarkreis wieder zurück Richtung Russland, hinauf in den Norden nach Inari.



Hier, in Finnisch-Lappland, gönnen wir uns ein paar Tage Pause. Zwischendrin bot sich immer wieder die Gelegenheit zu kleinen Abstechern zu Fuß. Wir stehen meist alleine auf abgelegenen Parkplätzen im Wald. Vorgestern rastete in unserer Nähe auch eine Horde Rentiere, so friedlich war es dort. Wir parkten zwei Tage am Rand des Pyhä-Luosto Nationalparks, den wir etwas genauer unter die Lupe genommen haben. In der einzig noch aktiven, manuell betriebenen Ametyst-Mine Europas, die das Zentrum des Parks bildet, haben wir selbst nach den Steinen geschürft und um Mitternacht den Ukku-Luosto bestiegen.

Wir wollten uns nochmal den Anblick der nicht untergehenden Sonne gönnen. Leider war uns der Blick wie so oft in den letzten Tagen von Wolken verstellt. Besser ausgestattet als das letzte Mal waren diesmal auch Mütze und Handschuhe im Gepäck. Aber beim Aufstieg über gefühlte 1000 Stufen wurde uns warm. Eine kleine Bergtour um Mitternacht bei Tageslicht ohne Stirnlampe im Gepäck ist schon ein besonderes Erlebnis. Bei der Rückkehr zum Jonny um ein Uhr ist es bereits wieder lichter Morgen und die Vögel zwitschern. Man könnte sehr leicht vergessen, dass der Körper auch Schlaf bracht, zu dem man sich mehr durch Vernunft und einen Blick auf die Uhr animieren muss, als dass einen das Bedürfnis nach Schlaf überkommt. Da unser Weg weiter nach Norden führt, wird uns dieses Phänomen noch weitere Wochen begleiten. Der skandinavische Rhythmus von Licht und Dunkel, der die Menschen hier oben prägt, hat uns nun voll im Griff.

Die Einreise nach Finnland gestaltete sich noch etwas holprig. Wir mussten wieder lernen, mit einer gewissen Ordnung zurecht zu kommen. Die Angebotsvielfalt in den Supermärkten, die höheren Preise, das Vorhandensein von Infrastruktur an sich. Plötzlich gibt es wieder Campingplätze und die Menschen haben Freizeit, die sie mit Aktivitäten anfüllen und ihre Hunde abends an der Leine Gassi führen. Wo waren die Straßenhunde geblieben, die sich zeigten, sobald wir irgendwo angehalten hatten und darauf warteten, dass etwas Essbares aus dem Auto fällt? Lidl, Hundebesitzer, sichtbare Ordnung und Sauberkeit – sehr verwirrend. In Vyborg, unserem letzten Stopp auf russischem Boden, wo der Samaa-Kanal, der Russland mit Finnland verbindet, ins Nordmeer mündet, war vieles baufällig, die Straßen uneben und alles wenig perfekt. Zwar unterscheidet sich die alte Hansestadt wohltuend vom russisch quadratischen Städteallerlei, aber der Flair ist unbestritten leicht morbide. 



Die viel gerühmte finnische Seenplatte hat dazu beigetragen, unsere aufgewühlten Seelen zu beruhigen. Unterbrochen von einem Abstecher an die Südküste, die wir von Hamina bis Helsinki zügig abfuhren, kehrten wir für ein paar Tage in die Nähe von Puumala zurück, um an einem der tausend Seen an einer schönen, abgelegenen Stelle für 3 Tage das Boot auszupacken und die Sonne zu genießen. In Puumala hatten wir kurzentschlossen die ersten Tage nach Einreise auf einem Campingplatz verbracht um uns zu orientieren.







Mit Hamina verbinden wir finnische Festivalkultur, mit Kohta das Marinarium und die Fischerhütte von Zar Alexander II, der hier im Sommer zum Lachsangeln herkam und den Abstecher in das reizvolle kleine Örtchen Povoo mit dem Preis für eine Kugel Eis in Höhe von 4,80 €. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle erwähnen, dass Finnland dieses Jahr sein 100 jähriges Staats-Jubiläum feiert. Vorher war es Teil des russischen Reiches, von dem es sich 1917 löste.
Fischerhütte


Povoo

Die Entscheidung, den Weg zurück nach Deutschland über Skandinavien einzuläuten, stellt sich bereits jetzt als die für uns einzig richtige dar. Zwar könnte es für die Jahreszeit wärmer sein – die Hitze ist im Rest der Welt -, aber dafür gibt es noch sehr wenige Mücken. Und die, die es gibt, sind sehr, sehr träge und schneller erlegt, als ihnen lieb ist. Finnen lieben ihre Privatsphäre, sie sind distanziert und an Wohnmobilisten gewöhnt. Wir gliedern uns ein in die Kolonnen von einheimischen und ausländischen Wohnmobilen, die jeden Tag auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel durchs Land kreuzen. Keiner frägt nach unserem Woher und Wohin und das ist gut so. So lernen wir, wieder anzukommen und dafür haben wir auf unserer Skandinavienrunde bis Ende September noch reichlich Zeit.


Montag, 5. Juni 2017

Russland, die Dritte - am Don entlang über Moskau nach Finnland



In St. Petersburg tagt derzeit das Internationale Wirtschaftsforum. Der Außenminister Herr Gabriel ist zu Gast und speist mit Herrn Putin und Herrn Schröder zu Abend. Unter anderem beraten sie darüber, wie Russland wieder an den Aufschwung, der bis vor 3 Jahren die Entwicklung des Landes prägte, anknüpfen kann. In den letzten Jahren ist das Wachstum eingebrochen und die Löhne sind gesunken. Wahrscheinlich sitzen sie alle im Konstantinpalast, den wir im letzten Jahr, als wir selbst in Sankt Petersburg waren, besichtigen durften. Das es Russland über viele Jahre sehr gut ging, durften wir mit eigenen Augen auf unserem Süd-Nord-Transit erfahren. Wir bekamen nochmal einen ganz anderen Eindruck von Land und Leuten. Neue Autobahnen, nette Häuser, gepflegte Gärten, kaum Müll am Straßenrand. Wir mussten unser Russlandbild, das vornehmlich auf winterlichen Eindrücken aus Sibirien beruhte, deutlich revidieren. Aber sieht nicht alles freundlicher aus, sobald die Sonne scheint und die Bäume Blätter tragen? 

Wir haben in der Zeit, in der in St. Petersburg Politik gemacht wird, gemeinsam mit vielen anderen Touristen den Moskauer Kreml besucht. Was hatten wir es da im letzten Jahr angenehm, als wir Anfang April bei zwar noch ziemlich frischen Temperaturen, aber dafür völlig unbehelligt und allein auf weiter Flur, Sankt Petersburg unsicher gemacht haben. Ansonsten ist vieles ähnlich, vor allem das Wetter! Wer hätte gedacht, dass sich die Außentemperaturen von April und Juni in Nichts, aber auch Nichts unterscheiden? OK, alles ist üppig grün und die Tage ziemlich lang – aber Mütze und dicke Jacke hätten jetzt nicht mehr sein müssen, oder? Am Tag vor unserem Eintreffen in Moskau zog ein sehr heftiges Unwetter über die Stadt, das nicht nur unzählige Bäume entwurzelte, sondern auch Menschenleben gekostet hat. Wir hatten davon – bis auf den Wettersturz – nichts mitbekommen. Erst als Iris sich auf ihrer Radtour durch den Sokolniki-Park, wo wir beim örtlichen Campingplatz eingecheckt hatten, die Verwüstungen sah, sind wir darauf aufmerksam geworden.

Kremlmauer - Roter Platz - Basiliuskathedrale

Aber nun der Reihe nach:
Einreise nach Russland von Georgien kommend am 24. Mai war dank der Unterstützung eines sehr gut englisch sprechenden, sehr freundlichen russischen Grenzbeamten höherer Seniorität, schnell gemeistert. Er besorgte uns ohne Nachfrage unsererseits die englische Version der Zollformulare, zeigte uns von wo nach wo wir gehen sollten und sorgte schlussendlich dafür, dass wir schnell und zügig abgefertigt wurden. Nochmals auf diesem Weg herzlichen Dank an den netten Herrn! Bei Regen und tief hängenden Wolken ging es anschließend durch das russische Bäderdreieck Richtung Rostow am Don.

Rostow am Don
Kaum lagen die Berge des Hohen Kaukasus, der uns hinter den grauen Wänden verborgen blieb, hinter uns, wurde es sommerlich! 

In der Nähe der Stadt richteten wir uns am Stillen Don, der auch den Donkosaken ihren Namen gab, zwischen Anglern für die Nacht ein und schauten, auf unseren Stühlen vor dem Auto sitzend, den vorbeifahrenden Frachtschiffen zu. Der Don gibt sich im Vergleich zu anderen russischen Flüssen sehr bescheiden – still, gemächlich, und ziemlich schmal liegt er vor uns und sieht im Gegensatz zur Wolga sehr winzig aus. Die Frachtschiffe haben trotzdem eine beträchtliche Größe, verbindet doch der nur 50 km lange Don-Wolga-Kanal die beiden Flüsse und lässt so auch Schiffsverkehr zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer zu.





Fast hätten wir aufgrund der sommerlichen Temperaturen am Don für ein paar Tage Anker geworfen, aber uns zog es weiter Richtung Skandinavien. Die nächsten Tage verliefen unaufgeregt. Mal auf und zur Abwechslung auch mal auf kleineren Landstraßen neben der Autobahn, immer durch flaches Land Nordwärts - bis wir schließlich Moskau erreichten.

Südrussland - unten fließt der Don vorbei
Hatten wir im letzten Jahr auf dem Weg in die Mongolei aus Sorge vor dichtem Straßenverkehr und dem Respekt vor der schieren Größe der 15 Millionen Einwohner zählenden Stadt einen großen Bogen um Moskau gemacht, nahmen wir es diesmal sehr gelassen. Unser Ziel war der Campingplatz im Sokolniki-Park.

Wir standen uns geduldig durch den Stau auf dem äußeren Ring, gerieten schließlich in den Stau auf dem Inneren Ring und gelangten ca. 3 Stunden nach Erreichen der Stadtgrenzen an unser Ziel. Die Verkehrsdichte ist erschreckend. Kurz vor Erreichen der Stadt machten wir noch einen Schwenk über Tula, dem „Wohnsitz“ Tolstois und schlenderten einige Zeit durch das imposante, mehrere Hektar große Anwesen. Neben seinem Wohnhaus und anderen Gebäuden ist tief im Wald auch sein Grab versteckt. 



Lenin in Tula
In Moskau besuchten wir an unserem ersten Besichtigungstag in der Innenstadt gleich einen Zweiten berühmten Russen - Lenin. Die Warteschlange am Lenin-Mausoleum war im Gegensatz zu früheren Sowjet-Zeiten überschaubar kurz. Oder lag es daran, dass der Kreml donnerstags geschlossen hat und somit weit weniger Touristen den Roten Platz bevölkerten? Dies hatte uns dazu animiert, einen Blick auf ihn zu werfen. Sein einbalsamierter Leichnam steht unter der Obhut verschiedener Wissenschaftler, die sich um den kostenintensiven Erhalt der Mumie kümmern. Immer wieder gibt es Initiativen, den 1924 verstorbenen Herrn Lenin endgültig zu Grabe zu tragen. Bisher sind sie alle gescheitert.


Der Moskauer Kreml von der Moskwa-Brücke aus


Eines der 7 Stalin-Hochhäuser am Ring
 
Historisches Museum am Roten Platz


Hinter die Kremlmauern konnten wir erst am nächsten Tag schauen. Immer eine Lücke zwischen den einzelnen Regenschauern abwartend, strolchten wir durch die Anlage – vorbei an der Zaren-Glocke und der Kanone des Zaren, dem Palast und dem Senatsgebäude, durch den Park am Glockenturm vorbei über den Kathedralenplatz.





Die Glocke steht seit fast 200 Jahren auf ihrem Sockel und gilt als eine der größten und schwersten Glocken der Welt. Leider kam sie nie zum Einsatz, da sie vor ihrem ersten Glockenschlag durch Feuer beschädigt wurde. Zur Besichtigung der berühmten Rüstkammer mit Zarenschatz und Krönungsutensilien konnten wir uns nicht durchringen. Es war uns einfach zu voll. So beließen wir es bei einem Blick in die mehrheitlich aus dem 15. Jahrhundert stammenden Kirchen mit ihren eindrucksvollen Fresken und Ikonenmalereien. Es war zu windig und zu kalt um weitere Expeditionen durch die Stadt zu starten. Unser kuscheliges Heim wartete im Sokolniki-Park auf uns.

Putins "Parkplatz" im Kreml
Gerne hätten wir den Park noch mit unseren Rädern erkundet, aber das Wetter ließ es nicht zu. Der Sokolniki-Park ist nur eine von vielen "Grünen Lungen" Moskaus, in der gejoggt, geradelt und an manchen Ecken auch getanzt wird. Im warmen Sommer sicherlich ein Genuss. Am nächsten Morgen sagten wir Moskau Ade und brachen zu unserer letzten russischen Etappe auf. Das erste Mal auf der Reise haben wir ca. 100 km südlich vor St. Petersburg für die Nacht auf einem LKW-Parkplatz eingeschert. Entlang der endlos geraden Straßen gibt es nichts mehr zu sehen, was wir nicht schon kennen.


Die Wege abseits der Hauptverkehrsader sind matschig und löchrig und die wenigen möglichen Standplätze oft vermüllt. Die Strecke zwischen Moskau und St. Petersburg ist reiner Transit, kein Genuss. Von der finnischen EU-Außengrenze trennen uns nur noch 309 km. Wir freuen uns auf Mitternachtssonne, Rentiere und Lappland!

Russische Impressionen:
Kein Dorf ohne Kriegsdenkmal

Kapelle am Wegesrand